Zeichen und Symbole I

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Iä! Iä! Cthulhu fhtagn!
Vorweg: Alles ist gut, solange man selbst Spaß hat und die Gruppe sich auf einen bestimmten Spielstil geeinigt hat.
Außerdem: Die Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit ist im echten Leben kein Spaß. Psychische Erkrankungen stellen keine klischeehaften oder gar lustigen Stereotypen dar und gerade im Hinblick auf die Mitspielenden sollte man hier mit dem nötigen Respekt agieren. Andererseits sollte man stets daran denken, dass FHTAGN ein Spiel ist und alles darin auch immer diesen Charakter behält. Das Ausspielen von Wahnsinn und Störungen ist also stets eine Gratwanderung im Rollenspielbereich.
Der Charakter eines (Kosmischen) Horror-Rollenspiels ist – verkürzt gesagt – davon geprägt, dass die Protagonisten keine Helden sind, sterben können und im Laufe ihres Charakterlebens dem eigenen geistigen Verfall anheimfallen.
Auf der physischen Seite ermöglichen Attribute und Trefferpunkte (TP) eine Aussage über die körperliche Verfassung eines Charakters. Kurze Erinnerung:
Dieses Gerüst erlaubt eine recht präzise Darstellung der physischen Verfassung, von einem leichten Schmerz, hin zu Hinken und Humpeln, bis zu schwersten, teils bleibenden Einschränkungen.
Für den Bereich der geistigen Verfassung sieht es etwas komplexer aus:
Dies zeigt zum einen den Fokus des Regelsystems auf die Ausgestaltung der geistigen Abwärtsspirale und zum anderen sind dies alles Mechanismen, die man selbst nutzen und einsetzen kann, um seinem Charakter eine angemessene Tiefe zu geben bzw. seinen eigenen Umgang mit dem Wahnsinn im Spiel Ausdruck zu verleihen.
Willenskraftpunkte liegen im Schnitt ebenfalls bei 10 und sie spiegeln die psychische Belastbarkeit eines Charakters wider. Sinken sie auf 2 oder weniger, so erhält man einen Malus auf seine Handlungen; bei 0 WP ist man handlungsunfähig. Mit WP kann man den Folgen von Angst, STA-Verlusten oder psychischen Störungen widerstehen. Sie werden auch für Rituale benötigt, man kann sie bei gepatzten Würfelproben verlieren und ganz grundsätzlich kennzeichnen sie insgesamt das Nervenkostüm eines Charakters unabhängig von seiner geistigen Stabilität. Willenskraftpunkte sind eine wichtige Größe, die gerne übersehen wird.
Die STA eines Charakters stellt die geistige Gesundheit dar, d. h. wie viel Trauma oder Schrecken er ertragen kann, bevor er daran zerbricht. Die STA beginnt mit 5x seiner Entschlossenheit und sie sinkt, wenn man Gewalt, Hilflosigkeit oder Unnatürliches erlebt. Bei 0 STA ist der Charakter verloren. Regelmechanisch tritt erst dann ein Effekt ein, wenn bei einem einzelnen Wurf 5 oder mehr Punkte STA verloren gehen (temporärer Kontrollverlust) bzw. wenn die Belastungsgrenze erreicht wird (Störung).
Optionale Regeln und Beispiele, um kurzzeitige Reaktionen bei Verlusten von weniger als 5 STA auszuspielen, finden sich im Fragment Kurzzeitige Reaktionen aus Stress.
Ein niedriger STA-Wert zeigt also an, dass das Realisieren der tödlichen Wahrheit des Universums den Charakter mehr und mehr zu überwältigen droht. STA – bzw. das Fehlen davon – ist also auch gewissermaßen ein Zeichen von Erkenntnis – oder besser eine Reaktion auf die Erkenntnis – und zusammen mit wachsendem Unnatürlichen Wissen gibt es hier nur eine Richtung und die deutet bergab.
Der temporäre Kontrollverlust ist eine Übergriffigkeit in die Handlungsautonomie eines Charakters. Er verursacht entweder einen Flucht- oder Kampfreflex oder zwingt zur Aufgabe/Duldung einer Situation. Dies ist eine wichtige Schwelle, die unmittelbar Auswirkungen im Geschehen hat.
Bei Erreichen der BG ersetzt eine Störung eine Motivation des Charakters. Ist eine Störung vorhanden, reagiert der Charakter in Zukunft empfindlicher auf weitere STA-Verluste und muss bei weiteren Verlusten potenziell eine akute Episode seiner Störung durchleben. Das ist ein entscheidender Schritt auf der Abwärtsspirale, die das Spielen fortwährend beeinflusst. Grundsätzlich kann etwa 4x die BG eines Charakters gerissen werden, bevor der Wahnsinn unmittelbar bevorsteht.
Gegen viele der o. g. Dinge kann der Einsatz von WP helfen; entweder um sie ganz zu verhindern oder um sie abzuschwächen. Dies unterstreicht noch einmal die Wichtigkeit von Willenskraftpunkten als Ressource des Charakters. Darüber hinaus kann Abhärtung gegen Gewalt oder Hilflosigkeit eintreten und einen zusätzlichen Schutz darstellen.
Ein Charakter startet mit fünf Motivationen; diese werden im Verlauf ggf. durch Störungen ersetzt und ergeben so ein lebendiges Bild davon, wie sehr das Erlebte an der Psyche des Charakters nagt. Es gibt eine Reihe von Störungen im Kapitel Geistige Stabilität. Eine erworbene Störung muss nicht sofort in der jeweiligen Spielsituation vergeben werden, sondern das kann auch in einer ruhigen Minute oder in einer Zwischenszene geschehen.
Eine der wichtigsten Mechaniken ist das Projizieren von STA-Verlusten mittels WP auf Bindungen. Der STA-Verlust wird durch den Einsatz von WP reduziert aber auch die Bindung wird dadurch beschädigt und im Zweifel sogar ganz zerstört. Das ist ein wunderbarer Aufhänger für das rollenspielerische Erkunden des Abstiegs und kann vor allem in Zwischenszenen thematisiert werden.
Willenskraftpunkte sind für den Geist das, was Trefferpunkte für den Körper sind: Eine Angabe, wie es um die Psyche eines Charakters steht. Hierüber lässt sich dokumentieren, wie dünn das Nervenkostüm ist, wie erschöpft der Charakter ist und ob er sich noch aufbäumen kann, wenn der Schrecken um sich greift. Wer bei TP Sorge um das Wohl seines Charakters hat, sollte dies bei WP noch viel mehr verspüren.
STA ist eine Ressource, deren Verlust zu anderen Handlungen als beabsichtigt führen kann. Sie hat sowohl kurz- als auch langfristige Effekte und sorgt für Störungen der geistigen Gesundheit oder für Abhärtung. Sie nimmt im Gegensatz zu TP und WP eher tendenziell ab, während die beiden anderen durch Heilung und Erholung wieder aufgefüllt werden. Man kann sehr lange STA in kleinen Größen verlieren, während bei WP (und TP) sehr schnell ernsthafte Konsequenzen drohen.
Alle diese Mechaniken sind mit dem Regelsystem verwoben (siehe Patzer bei Proben oder Durchführung von Ritualen) und sie dienen dazu beim Spüren, Erkunden und Ausspielen der Abwärtsspirale eines Charakters zu unterstützen.
Wie setzt man nun das o. g. nun praktisch um? Muss man immer fröhlich auf die Störungstabelle würfeln? Lässt man immer die Taschenlampe fallen, wenn man STA verliert?
Es ist das Anliegen dieses Artikels die Bedeutung von WP gegenüber dem reinen Verlust von STA zu betonen.
Eine SL sollte WP genau wie TP betrachten und als Indikator für den Grad der Herausforderung einer Szene oder eines Szenarios verwenden. Das eine ist physisch, das andere psychisch – aber beides kann einen Charakter schnell zur Aufgabe oder Rückzug bewegen oder gar den Tod bedeuten. STA-Verluste, wie auch diverse andere Mechanismen, sollten dazu anhalten WP auszugeben, um den STA-Verlust zu reduzieren. So können wie schon erwähnt eben auch gepatzte Würfelproben zu WP-Verlusten führen oder eine getroffene Entscheidung in einem Dilemma zum Verlust von STA, wenn klar ist, dass sie schlimme Konsequenzen beinhaltet.
Die Effekte von STA-Verlusten wie auch sinkender WP sind im Regelwerk mit Beispielen versehen. STA-Verlust führt zur Gänsehaut, einem kalkweißen Gesicht, Zittern oder ähnlichen Reaktionen. Dies kann man die Spielerin selbst erzählen lassen aber man kann hier als SL ruhig übergriffig die Gefühle oder Reaktionen des Charakters beschreiben, schließlich passiert ja gerade etwas Unkontrollierbares mit Körper und Psyche. Niedrige WP wiederum eignen sich für die Spielerin gut als Aufhänger, um ihren Charakter fahrig agieren zu lassen, genervt oder gestresst zu sein oder insgesamt auf eine Situation nicht so zu reagieren, wie man es im Vollbesitz seiner WP tun würde. So wie man bspw. vielleicht auch eine physische Herausforderung anders angeht, wenn man nur noch über 3 TP verfügt.
Eine Störung ist ein großer Einschnitt und man sollte hier als SL ruhig zusammen mit der Spielerin überlegen, was am besten passt. Das muss wie gesagt nicht in der eigentlichen Situation sein sondern kann auch erst in einer Zwischenszene erfolgen. Es sollte sich wenn möglich um eine Störung handeln, die zur auslösenden Situation passt. Es geht also nicht darum, einfach etwas auszuwählen oder gar zu würfeln. Schließlich ist eine Störung eine große Bürde für den Charakter und die Spielerin.
Hierbei sei auch gesagt, dass selbstverständlich bestimmte Themen oder konkrete Störungen ausgeklammert werden können, wenn im Vorfeld klar ist, dass sie eventuell problematisch sind. Wenn man sich vorstellt, dass jemand mit einer ausgeprägten Angst vor Spinnen im Spiel damit konfrontiert wird und dann auch noch eine Spinnenphobie entwickelt, so wird das nicht unbedingt zum Spielspaß beitragen. Durch eine gemeinsame Auswahl der Störung können Spielinhalte vermieden werden, die outgame von der Spielerin als triggernd oder unangenehm empfunden werden. Eine vorherige Absprache ist hier immer sinnvoll.
FHTAGN bietet durch seine drei Säulen der STA-Verluste (Gewalt, Hilflosigkeit, Unnatürliches) eine Menge Anknüpfungspunkte, um aus dem reinen „du verlierst 1W6 STA“ sowohl auf Seiten der SL als auch auf der der Spielenden sehr viel mehr herauszuholen und es für das eigene Spiel und das Spielerlebnis in der Gruppe zu nutzen.
Habt Mut die klassischen Stereotypen hinter euch zu lassen, stöbert gerne noch mal in den Kapiteln Charaktere und Geistige Stabilität und erkundet bei der nächsten Spielrunde einfach mal die ganzen Themen, die in diesem Artikel beschrieben wurden.
Wenn ihr Fragen oder Anmerkungen habt, kommt gerne auf uns zu – wir freuen uns auf den Austausch.
Volker Rattel, 2022