Einleitung
Zitat“Everyone has a plan until they get punched in the mouth.”
– Myke Tyson
Wie bei vielen Dingen in einem Rollenspiel scheiden sich insbesondere beim Kampfsystem die Geister. Sollte es eher simulationslastig sein oder lieber minimalistisch? Sollte es erzählerische Freiheit befördern oder ein klares Regelkorsett bieten? In erster Linie kann man für ein Horrorrollenspielsystem festhalten, dass es der Spannung und Dramatik nicht im Wege stehen sollte und das der Horror nicht unter einem Berg von Kampfregeln und -optionen begraben wird.
Überblick
Kampf als Methode der Konfliktlösung ist ein zentraler Bestandteil im Leben von vielen Charakteren - auch in einem Rollenspielsystem rund um Kosmischen Horror. Es lohnt sich an dieser Stelle jedoch in Erinnerung zu rufen, dass Kampf nicht immer unumgänglich ist. Im echten Leben und hoffentlich auch im Rollenspiel existieren gemeinhin drei Wege, um mit gefährlichen Situationen umzugehen.
- Vermeidung: CH oder Beeinflussung (1E: Überzeugen), um eine kritische Situation gewaltlos zu umschiffen.
- Flucht: Athletik und ggf. Verfolgungsjagd, um sich aus einer aussichtslosen Situation zu entfernen.
- Kampf: Waffenloser Kampf, Nahkampfwaffen, Fernkampfwaffen, wenn alle anderen Methoden ausgeschöpft sind.
Das Kampfsystem in FHTAGN muss daher einige Dinge abbilden:
- Einerseits so realistisch sein, dass Kampf eine dramatische Sache ist und glaubwürdig gefährlich wirkt.
- Andererseits so eingängig sein, dass die Regeln einem flüssigen Rundenablauf nicht im Weg stehen.
- Im besten Fall funktionieren die Regeln mit Schwert, Pistole und Laserwaffe - heißt also durch alle Zeiten hinweg.
- In 2E soll der Fokus klar weg vom urspünglichen System Delta Green (USA; vollautomatische Waffen) hin in das Hier und Jetzt gehen. Das bedeutet, weniger Schusswaffen, mehr Nahkampf.
- Auch "normale Charaktere" sollen in einem Kampf eine Rolle spielen können.
- Die Teils komplexen Sonder- und Optionsregeln sollen sinnvoll begrenzt werden.
- Ausweichen soll Sinn ergeben, d. h. nicht nur eine Behelfsaktion sein.
- Reizüberflutung (Sensory Overload) soll eine Rolle spielen oder mindestens einen Einfluss haben.
- Und schließlich: Was ist eigentlich mit Erschöpfung und Ausdauer in einem Kampf?
Kampfrunde
Die grundlegende Konzeption von Reihenfolge und Ansagen ist in 1E recht solide. Aus Gründen der Spielbarkeit sollte man jedoch folgende Situation einmal genauer anschauen:
ZitatSL zu Alice: Was machst du?
Alice: Ich greife Bob an?
SL zu Bob: Du wirst angegriffen. Was machst du?
Bob: Ich weiche aus.
Alice ... trifft nicht.
Bob: Muss ich noch würfeln?
Bob kommt also nicht mehr zum Zug, denn seine Ausweichen-Aktion ergibt keinen Sinn mehr. Man könnte nun meinen, Bob hätte seine Aktion für die Runde bereits vergeben und weil Bob in diesem Beispiel weniger GE als Alice hat, wird das auch so bleiben. Schöner wäre es für Bob, wenn er - sofern ihm keine Konsequenz aus der Handlung von Alice droht - seine Aktion frei wählen kann.
Richtig?
Fast - wichtig ist das Motto "Nur 1x pro Runde Schaden machen". Bob weicht hier explizit aus und macht somit keinen Schaden. Er sollte daher alle Möglichkeiten haben, wenn er an der Reihe ist. Außerdem könnte Bob bei der Probe kritisch patzen und dadurch eine dramatische Situation herbeiführen. Wir hatten dies bereits als Optionale Regel: Unabhängige Verteidigungswürfe in 1E eingeführt - dies sollte nun Standard werden.
Würfel bleiben liegen
Zum Thema "Den Wurf liegen zu lassen meint wortwörtlich, dass die Würfel nach dem Wurf nicht wieder aufgenommen oder weggelegt werden. Das Würfelergebnis bleibt also für die Dauer der Runde erhalten und sorgt so für einen beschleunigten Rundenablauf, da wiederkehrendes Würfeln vermieden wird."
Dies hat sich der Erfahrung nach nicht so dargestellt. Intuitiv ergreift man die Würfel und in ganz vielen Fällen nimmt man sie vom Tisch hoch. Außerdem ist Würfeln ja nun nichts Schlechtes (solange man keine Dutzend Würfel werfen muss). Daher sollte diese Regelung komplett verschwinden. Das sorgtb dann auch für mehr Drama, da nicht im Vorfeld feststeht, mit welchem Ergebnis ein Charakter die gesamte Runde lang unterwegs ist.
Grappling - Erklärung
Im Folgenden wird viel vom Grappling die Rede sein. Was genau ist das?
ZitatDie verschiedenen Techniken haben zum Ziel, den Gegner in eine für ihn unvorteilhafte Position zu bringen und ihn anschließend bewegungsunfähig zu machen und/oder zur Aufgabe zu zwingen. Grappling kann auch mit Schlägen und Tritten verbunden werden.
Gemeinhin ist hier der körpernahe Kampf im Clinch, also dem Umklammern/Umarmen des Gegners gemeint. Genauso der Bodenkampf, bei dem beide Parteien zumeist liegen oder knien und den Gegner mit Hebel-, Würge- oder Schlagtechniken attackieren. Diese Form des Kampfes ist - auch wenn sich das vielleicht merkwürdig anhärt - recht effektiv und insbesondere ein Mittel, wenn der Gegner die bessere Waffe hat. Sowohl im Sport (z. B. Mixed Martial Arts) als auch in wilden Straßenschlägereien finden sich die Kontrahenten sehr häufig auf dem Boden wieder - und damit ist noch kein Knock-out gemeint. Tatsächlich ist es sogar so, dass man deutlich weniger Schaden einstecken muss (wenn man jemanden schnell zu Boden bringt), als in einem langwierigen Standkampf Schläge und Tritte austauscht.
Nahkampfaktionen
Bleiben wir beim Beispiel "Alice greift Bob im Nahkampf an".
Sie wird also die Aktion Angreifen wählen und entweder mit Tritten und Fäusten (Fertigkeit Waffenloser Kampf) oder mit einer Waffe (Fertigkeit Nahkampfwaffen) attackieren. Bob kann nun
- Kontern: Also versuchen selbst Schaden zu verursachen. Dies kann er nur, wenn er noch nicht dran war bzw. konkret noch nicht selbst angegriffen, bewegt, geschossen usw. hat.
- Ausweichen: Mittels Athletik
- Blocken / Parieren: Mittels Tritten und Fäusten (Fertigkeit Waffenloser Kampf) oder mit einer Waffe (Fertigkeit Nahkampfwaffen)
Dies gibt der Defensive insgesamt drei Fertigkeiten zur Auswahl und es kann sinnvoll sein, sich für die eine oder andere zu entscheiden. Die Basiswerte für Waffenloser Kampf sind 40%, Nahkampfwaffen 30% und Athletik 30%.
- Waffenloser Kampf vs. Athletik: Wirkung vor Deckung, d. h. über kurz oder lang gewinnt ein Angreifer.
- Waffenloser Kampf vs. Nahkampfwaffe: -20% für Waffenloser Kampf, d. h. es ist gefährlich unbewaffnet zu einem Messerkampf zu erscheinen.
In dem Setting Zeitenwende spielt man gemeinhin normale Charaktere, die nicht ständig schwer bewaffnet durch die Gegend laufen. Damit auch Kampf hierbei eine interessante Rolle spielen kann, wird in 2E ein stärkerer Fokus auf das Konzept des Grapplings gelegt. Mit dieser Aktion kann man einen Gegner den Vorteil seiner Waffe berauben oder es mindestens versuchen. Dabei ist es nicht so einfach, ein Grappling erfolgreich einzuleiten; ein Gegner hat viele defensive Optionen.
Im Gegensatz zu 1E kann auch Stärke zum Einleiten eingesetzt werden. Wenn jemand mit 20-30 kg Gewichtsunterschied einen an die Wand drückt, dann gibt es nicht wirklich viel, was man dagegen tun kann. Ist man im Grappling und kann erfolgreich Schaden verursachen, so richtet man den maximalen Wert an (Standard 1W4-1). Im Clinch/Bodenkampf ist man sehr dicht beieinander, der Elbenbogen nahe am Kopf des Gegners, die Sehnen und Knochen sind erstaunlich fragil bei richtigem Hebel usw. usf.
Soll heißen, es tut schon sehr, sehr weh, was man da abbekommen kann. Daher greifen dann auch schnell die Mechaniken rund um Betäuben und Bewusstlossigkeit und der Kampf kann durchaus nach 1-2 Runden zu Ende sein (nach ca. 10 Sekunden im Schwitzkasten verliert man das Bewusstsein - nicht wegen der Luft, sondern weil die Halsschlagadern abgepresst werden - nur mal als Beispiel).
So viel zu Teil I im Thema Kampf. Fortsetzung folgt ...