Zeitenwende: Rolf Maasen
Eine der Figuren auf dem Schachbrett der Zeitenwende ist Rolf Maasen.
Niemand kann sich erinnern, wann es begann. Niemand kennt ihren Ursprung. Niemand kann sagen, warum die 100 Fragmente immer wieder auf die Erde treffen, sich auf 100 Menschen über den Erdball verstreut verteilen, nach einigen Jahren wieder zusammenkommen und die Erde wieder verlassen.
Kürzlich entdeckte Malereien in der französischen Höhle von Lascaux lassen allerdings darauf schließen, dass schon die Menschen der ausgehenden Altsteinzeit mindestens eine solche Vereinigung miterlebt haben. Die Zusammenkunft der Fragmente setzt dabei so große Energien frei, dass es in ihrem Umfeld zu enormen Wetterphänomenen und Naturkatastrophen mit teilweise schrecklichen Ausmaßen kommt. Je länger noch Fragmente für die vollständige Zusammenkunft der 100 fehlen, desto schlimmer werden die Auswirkungen.
Kometengleich kehren die vereinigten Fragmente etwa alle 235 Jahre auf die Erde zurück und verteilen sich beim Eintritt in die Atmosphäre erneut auf 100 Menschen.
Der letzte Eintritt der Fragmente geschah im Jahre 2019. Ihre erneute Zusammenkunft steht kurz bevor.
Die Fragmente scheinen bei der Auswahl der Menschen, in die sie eindringen, keiner nachvollziehbaren Logik zu folgen. Geschlecht, Alter, Ethnie und Glaube spielen für sie keine Rolle.
Die Fragmentetragenden haben vom Zeitpunkt des Eindringens an immer stärker werdende Träume und Visionen. Zuerst seltener, dann immer häufiger, schließlich nicht nur im Schlaf, sondern auch am helllichten Tage. In ihnen sehen sie sich selbst mit 99 anderen Menschen im gleißenden, blitzenden Licht. Es scheint, als wären sie im Zentrum eines unendlich starken Gewitters. Scharfer Donner durchzuckt sie. Nach dem Erwachen bzw. nach der Vision bleibt der Geruch und Geschmack nach Ozon noch für mehrere Minuten bestehen, aber nur für sie wahrnehmbar.
Alle Betroffenen beginnen nach einiger Zeit eine innere Stimme wahrzunehmen, die zu ihnen flüstert. Das Flüstern ermahnt sie immer häufiger, ihre Träume und Visionen der Zusammenkunft zu verwirklichen. Sie müssen mit den anderen 99 Fragmentetragenden zusammenkommen. Auch die Richtung, der Ort und der Zeitpunkt scheinen sich aus den Tiefen ihres Unterbewusstseins herauszukristallisieren und ihr Denken und Handeln zu beeinflussen, immer wieder bekommen sie auch konkrete Anweisungen von der inneren Stimme eingeflüstert, die mit immer mehr Nachdruck wiederholt werden, bis ihnen entsprochen wird.
Grundbedürfnisse wie Nahrung und Schlaf treten immer mehr in den Hintergrund. Auch ihren Mitmenschen gegenüber verhalten sie sich zunehmend rücksichtslos. Um die Zusammenkunft zu erreichen, ist ihnen jedes Mittel recht. Werden Fragmentetragende auf ihrem Weg aufgehalten, reagieren sie zunächst ungehalten und barsch und neigen dann zu rücksichtsloser Gewalt. Mitunter entwickeln sie unmenschliche Kräfte.
Verständlicherweise wehren sich die meisten Menschen zuerst gegen diesen Drang, schieben das innere Flüstern auf Stress und Schlafmangel. Doch je länger ein Splitter in ihnen weilt, desto stärker werden die Zwänge. Fragmentetragende werden ihr ganzes Vermögen für die Reise zur Zusammenkunft der Fragmente einsetzen und alles tun, um genug Geld für die Reise zusammenzubekommen, sie schrecken auch vor kriminellen Handlungen nicht zurück. Sie trennen sich, wenn nötig, von Arbeit, Freunden und Familie. Einige machen sich sogar zu Fuß in die Richtung auf, die das Fragment ihnen diktiert.
Die Fragmente sind in Menschen physisch nicht nachweisbar. Sie sind transzendent und sehr klein. Untersuchungen mit Computer- oder Magnetresonanztomographie zeigen eventuell kleine, unregelmäßige Störungen oder seltsame Unschärfen, da diese jedoch bei wiederholten Untersuchungen stets an anderen Stellen auftreten, werden sie von den Spezialisten nicht weiter beachtet.
Stirbt ein fragmentetragender Mensch, so sucht sich das Fragment auf kürzestem Wege einen neuen Körper, der ihn zur Zusammenkunft bringen soll.
Charaktere können seit dem Eintritt der Fragmente in unsere Welt am 6. Mai 2019 bereits Träger sein. Alternativ kann sich ein Charakter in der Nähe eines sterbenden Menschen aufgehalten haben und so zum Tragenden eines Fragments geworden sein.
Von dem Zeitpunkt an, an dem das Fragment in einen Charakter eindringt, erhält dieser eine neue Motivation: „Die Fragmente zusammenführen“. Diese Motivation kann vor der Zusammenkunft der 100 Fragmente nicht in eine Störung umgewandelt werden.
Die Intensität der Motivation, die Träume und Visionen, können zu Beginn dezent in Zwischenszenen angedeutet oder sofort zur einzig treibenden Kraft des Charakters werden, ganz nach Belieben der SL.
Der Charakter kann, wie alle anderen Menschen, das Fragment nur im Rahmen der Zusammenkunft oder durch seinen Tod freisetzen.
Nach der Zusammenkunft erhält der Charakter die Facette Erkenntnis (Unnatürliches Wissen +10 %, 5 STA).
Die Motivation wird durch eine Störung ersetzt: „Etwas fehlt“ – Bei Ausbrüchen fangen die SCs an, (wieder) verzweifelt nach etwas zu suchen oder entwickeln wilde Pläne, an bestimmte Orte zu kommen.
Die letzte Zusammenkunft der Fragmente erfolgte im März 1784 in Mitteleuropa. Der genaue Ort ist nicht bekannt, die der Zusammenkunft vorausgegangenen schrecklichen Vulkanausbrüche und Wetterereignisse wurden aber als einer der härtesten Winter überhaupt in Mitteleuropa aufgezeichnet. Zum Höhepunkte der Ereignisse suchten dann furchtbare Hochwasser Mitteleuropa und Deutschland heim.
Die Zusammenkunft der Fragmente beendete diese apokalyptischen Zustände.
In welchen Menschen die Fragmente zur damaligen Zeit steckten, ist nicht bekannt. Basierend auf einer Handschrift aus 16. Jahrhundert soll es aber schon eine kleine Loge von Wissenden gegeben haben, die sich der Splitter und ihrer Zusammenkunft bewusst waren. Zu der Loge sollen unter anderem Immanuel Kant und Friedrich Schiller gehört haben.
Die Loge wird bis heute von einigen Menschen weitergeführt, wobei es keine historischen Beweise gibt, dass sie lückenlos seit dem 18. Jahrhundert Bestand hatte. Sie untersucht die Ereignisse, versucht Zeichen zu erkennen und Prognosen zu erstellen und zieht sich weitestgehend auf einen Beobachterposten zurück.
Schillers Gedicht „An die Freude“ verarbeitet nach Meinung der heutigen Mitglieder der Loge sein Wissen über die Fragmente und die Umstände der Zusammenkunft.
Einst aus einem Disput unter Logenmitgliedern hervorgegangen, waren die ersten Mitglieder des Kultes „empêcheur de se réunir en dernier“ der Meinung, dass die Geschehnisse nicht nur beobachtet werden dürfen. Sie starteten Versuche, die Fragmente zu kontrollieren und dem Drang der Zusammenkunft zu widerstehen, um die Kräfte, welche mit den Fragmenten einhergehen, zu Ihrem Vorteil zu nutzen. Während der Jahre vor der letzten Zusammenkunft experimentierte der französische Arzt Jean-Jaques de Sabatier mit der Entnahme von Fragmenten und deren Umbettung in Säuglinge, um dem französischen König ewiges Leben zu ermöglichen. Er wurde Zeuge, wie die Fragmente aus mehreren seiner Probanden sich zu einem größeren, grotesken Wesen zusammenzogen, das, eine Schneise der Zerstörung hinterlassend, seine Praxis und sein halbes Heimatdorf zerstörte.
Er schrieb seine Erkenntnisse nieder und publizierte sie zunächst im Journal des sçavans. Seine wahnhaften Gedanken zeigen sich derart ansteckend, dass deren Leser der Überzeugung erlagen, die Fragmente müssen aufgehalten werden. Es wurden weitere Pamphlete und Büchlein gedruckt. Heutzutage kursieren seine Gedanken einerseits unter Verschwörungsgläubigen und in esoterischen Kreisen, die sich teils organisieren und sich für eine weitere Vereinigung rüsten, andererseits aber auch unter den „Oberen 10.0000“. Sie versuchen, seine Studien fortzusetzen und die Macht der Fragmente zu ihren Zwecken zu nutzen.
Bericht über die Fragmente, deren Tragende und eine kleine Vereinigung
Sprache: Französisches Original, heutzutage in nahezu allen Sprachen erhältlich.
Studium: Stunden; 1W6 STA.
Erkenntnisgewinn: Unnatürliches Wissen in Höhe des STA-Verlustes beim Studium.
Enthaltene Rituale: Keine.
Beschreibung: Die verstörenden und betörenden Berichte eines französischen Arztes aus dem 18. Jhd. Er beschreibt seine grotesken Experimente an Erwachsenen, Kindern und sogar Säuglingen. Dabei stellt er die Behauptung auf, etwas aus ihnen extrahiert zu haben, das er Fragmente nennt. Diese Fragmente sollen sich zu einem Wesen vereinigt haben, dass daraufhin seine Praxis zerstörte, sein Dorf in Schutt und Asche legte und viele Menschen tötete.
Die Leserin entwickelt durch das Lesen des Buches die Störung „Vereinigung verhindern“. Sie ist fortan in der Lage, mit einer Probe auf Wachsamkeit (oder IN × 5-Probe -40 %) Fragmenttragende zu erkennen und möchte diese an ihrer Vereinigung mit anderen Fragmenten hindern.
Ein Fragmentträger, der dem Untergang der Welt entgegenfiebert und einen kleinen Kult um sich geschart hat.
Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in einem Elternhaus, in dem er nur Zuneigung erfuhr, wenn er tat, was ihm gesagt wurde und er den hohen Ansprüchen seiner Eltern gerecht werden konnte. Gute Noten und Auszeichnungen brachten ihm ein paar Tage Liebe, dann folgten wieder Vorwürfe und der Druck zu immer noch besseren Leistungen.
Auf seiner Suche nach Wertschätzung und Liebe trieb es ihn schon als Jugendlichen in die Fänge von Glaubensgemeinschaften und Sekten, in deren Miteinander er sich immer wieder kurz selbst verwirklichen konnte. Keine dieser Gruppe bot ihm aber lange genug Halt und so war er ständig auf der Suche nach dem nächsten, intensiveren Gefühl von Zugehörigkeit. Dabei gelangte er immer häufiger zu Gruppen, die die Apokalypse und den Untergang der Welt vorhersagten und ihren Anhängern gleichzeitig Rettung, das ewige Leben und den Einzug ins Paradies versprachen.
Mit 27 drang dann 2019 eines der Fragmente in ihn ein.
Auf Basis der durch das Fragment hervorgerufenen Träume und Visionen erschuf er schnell eine eigene Version des Weltuntergangs und predigt sie seither seiner kleinen Gefolgschaft von etwa 35 Menschen, die er „Die letzten Auserwählten“ nennt. Etwa die Hälfte davon lebt in seiner Umgebung und trifft ihn regelmäßig, den Rest erreicht er über eine von ihm betriebene Internetplattform.
Er sieht sich selbst als Teil einer göttlichen Offenbarung, die auf 100 Menschen verteilt ist. Ihre Zusammenkunft beschwört die Apokalyptischen Reiter und das Ende der Welt herauf. Die Ungläubigen und Sünder werden vernichtet und die Welt wird von allem Übel gereinigt und geläutert. Nur wahre Gläubige, die sich zu Lebzeiten zu ihm bekannt haben, werden errettet und in dieses Paradies einziehen.
Er und seine Gruppe würden alles tun, um die Zusammenkunft der Fragmente zu ermöglichen. Das von Gabriel Sturm gepredigte Ende der Welt bedeutet für sie den Einzug in ihr Paradies. Viele haben bereits große Teile ihrer Habseligkeiten verkauft und das Geld für die Erfüllung der Zusammenkunft Gabriel zur Verfügung gestellt. Einige seiner Getreuen würden auch nicht zögern, Gewalt auszuüben, um die Zusammenkunft zu ermöglichen.
Die aufkommenden Zeichen, die Gabriel aus seinen Visionen und Träumen stets vorhersagen konnte, euphorisieren die Gruppe. Das Ende und damit ihr Anfang ist nah. Es gilt nur, die Zusammenkunft der 100 zu ermöglichen.
Überdurchschnittlicher Fragmentträger und Kultführer
Besonderheiten: Besessen davon, die Fragmente zu vereinigen und damit das Ende der Welt herbeizuführen.
Wichtige Attribute: Intelligenz.
Wichtige Fertigkeiten: Religion, Überzeugen.
Zeitpunkt und Ort der Zusammenkunft kann von der SL frei bestimmt werden.
Je näher die einzelnen Fragmente dem Ort der Zusammenkunft kommen und damit immer mehr Fragmente ihre Energie einbringen, desto verheerender werden die Umstände. Selbst wenn nur wenige Fragmenttragende zusammenkommen, ergeben sich seltsame Phänomene. Bäume verlieren ihre Blätter, Krankheitserreger mutieren und führen zu Epidemien, Ungezieferplagen befallen ganze Landstriche. Tiere verhalten sich seltsam, Poltergeist-Phänomene nehmen zu und Menschen im Umfeld der Fragmenttragenden werden von schrecklichen Albträumen gequält. Zunehmende Sonnenstürme beeinträchtigen elektronische Geräte und die Kommunikation auf der Erde. Im weiteren Bereich der Zusammenkunft zeigen sich dann unnatürlich starke Wetterphänomene (Starkregen, orkanartige Stürme, Hitzeanomalien, usw.), denen folgen (wenn geografisch anwendbar) Vulkanausbrüche, Erdbeben, Tsunamis, Meteoriteneinschläge, usw.
Kurz vor der vollständigen Zusammenkunft der 100 Fragmente erreichen diese Ereignisse ihren Höhepunkt und ein Gewitter nahezu unvorstellbarem Ausmaßes zieht über den zusammengekommenen Fragmenttragenden auf.
Die fragmenttragenden Menschen sind von den Auswirkungen der sie umgebenden Katastrophen nicht betroffen.
Mit der Zusammenkunft lassen das Gewitter und die Auslöser schlagartig nach. Die Folgen der Ereignisse sind zwar noch gegenwärtig, die Sonne bricht sich aber wieder ihren Weg durch die Wolken und die Umstände normalisieren sich.
Die ständig steigende Intensität der Katastrophe verleitet selbstverständlich zu dem Schluss, dass die Zusammenkunft umbedingt verhindert werden muss. Der einzige Weg, das Armageddon zu beenden, besteht aber darin, die Zusammenkunft zuzulassen und die Fragmente so wieder auf ihre kometenhafte Reise durch das All zu schicken.
Manche der ehemaligen Tragenden überleben die Zusammenkunft nicht, andere behalten dauerhafte Narben davon. Nach der erfolgten Vereinigung der Fragmente fühlen sich die ehemaligen Tragenden einerseits leer und verlassen, andererseits sind sie Teil einer Gemeinschaft, die etwas verbindet, dass niemand anderes Lebendes zu teilen vermag.
FHTAGN-Schreibwerkstatt, 2023